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Finaltagebuch Tag 5 - Wie sagt man Basketball auf Finnisch?

Unser Mann im Teamhotel, Marcel Friederich, bringt jeden Tag frische Einblicke und Hintergründe in die Abläufe und Geschehnisse rund um das Team während des Finalturniers in München. Mittlerweile macht Marcel starke Fortschritte bei seinem Versuch Finnisch zu lernen - und natürlich wird wieder gegessen... wie so häufig bei so einem Turnier

Dienstag, 9. Juni 2020 - Gameday!
6.45 Uhr


Grauenhaft. Dieses Handy-Wecker-Piepen. Grauenhaft. Ich merke schnell: keine Gameday-Form.

7.40 Uhr

Liege immer noch im Bett. Gestern Nacht wurde es mal wieder später. Etwa 2 Uhr – nach Podcast, Tagebuch, dies, das und jenem. Außerdem regnete es die komplette Nacht hindurch, ständiges Prasseln an die Fensterscheibe.

7.45 Uhr

Stehe endlich auf. In einer halben Stunde ist Frühstück. Mir geht durch den Kopf: Falls ich zu spät käme, muss ich dann eine Strafe in die Mannschaftskasse zahlen? Gibt es überhaupt eine Mannschaftskasse? Fragen, die noch nicht geklärt sind.

8.15 Uhr


Treffe Richard am Aufzug, gehen zusammen in den Speisesaal. Sage zu ihm: „Du siehst ja aus wie das blühende Leben.“ Er zieht die Augenbrauen hoch. Und meint: „Hast du auch die ganze Nacht den Regen gehört?“ Ich nicke. Wir schauen uns an, beide müde, grinsen aber ein wenig.

8.20 Uhr


Treffpunkt Obst-Bar. Grüner Apfel, Ananas, Melone und Trauben. So lautet der Mix von Pedro Calles, Headcoach von RASTA Vechta. Ich frage ihn, wie es seiner Familie in Spanien geht. „Zum Glück alle gesund. Aber das Corona-Virus hat Spanien echt heftig getroffen – viel heftiger als Deutschland.“

8.30 Uhr


Die Bamberger sind da. Gestern Abend waren sie angereist. Hatte Mediendirektor Thorsten Vogt in der Lobby gesehen, der mir mit Mundschutz aus der Ferne zurief: „Komm‘ mir nicht zu nah, wir sind noch nicht getestet.“ Doch heute zum Glück die Info: alle Bamberger negativ. Nun läuft mir Thorsten an der Kaffeemaschine über den Weg, nun ohne Mundschutz, geben uns die Corona-Faust. „Jetzt dürfen wir ja wieder …“

8.35 Uhr

Am Buffet erspähe ich auch Anne Panther, unsere deutsche Top-Schiedsrichterin. Insgesamt zwölf Referees sind hier mit ins Quarantäne-Hotel einzogen. Obwohl sie abseits des Basketballs normale Jobs haben. Habe ich großen Respekt davor, Hut ab. Was Anne auf ihrem Teller liegen hat? Kann es nicht genau erkennen, weil sie sich schon Richtung Obst-Bar umgedreht hat. Vielleicht war’s Rührei.

8.37 Uhr


Bei mir gibt’s heute Spiegelei. Ei. Da war doch was. Wie heißt’s noch mal auf Finnisch?

8.40 Uhr

Kananmuna, so heißt’s auf Finnisch. Und die Heizung? Lampimampi. Hab die Rechtschreibung immer noch nicht gecheckt.

8.45 Uhr

Plötzlich höre ich, wie mein Frühstücks-Nachbar Daniel, der Herrscher über die finnischen Vokabeln, ein neues Wort in seiner Heimatsprache sagt. Und zwar zu Physio Flo, der am Tisch rechts neben uns sitzt. Flo erzählt, dass er eine Rundreise durch Finnland plant. War für Mitte Juni vorgesehen, direkt nach dem potenziellen Spiel fünf der Finalserie. Man weiß ja nie. Nun ist’s auf Anfang Juli verschoben.

8.50 Uhr

Frühstücks-Nachbar und Assistant Coach Daniel beruhigt mich: „Keine Sorge, alles, was ich eben zu Flo gesagt habe, war noch nicht das Wort des Tages. Das kommt erst beim Abendessen.“ Will meinen nicht vorhandenen Finnisch-Wortschatz ja jeden Tag um ein Wort ergänzen. Bisher: Kananmuna, Lampimampi.

8.55 Uhr


Die Spieler sind längst auf ihren Zimmern. Man spürt ihre leichte Anspannung, ihren Fokus auf das Ludwigsburg-Spiel. Gequatscht und gescherzt wird weniger als sonst.

8.58 Uhr


Die drei Verbliebenen im Frühstücksraum: Headcoach Sebastian, Assistant Coach Klaus und ich. Die beiden brechen auf, ich hole mir noch einen Obstsalat. Grüner Apfel, Ananas, Melone und Trauben. Pedro-Calles-Style.

9.25 Uhr

Als ich zum Aufzug gehe, kommt mir mein Finnisch-Lehrer Daniel entgegen. Mit einem Kaffee-Plastik-Becher in der Hand. Hatte beim Frühstück nur einen kleinen Cappuccino. Bräuchte mehr. „Hey, Daniel, wo hast du den Kaffee her?“ Er schaut mich grinsend an: „Beim Aufzug links um die Ecke, bisschen versteckt, da steht ne Maschine.“

9.28 Uhr

Café Crema. Drücke zweimal auf den Knopf, passt genau in den Becher, randgenau. Nehme direkt einen Schluck. So langsam komm‘ ich in Gameday-Form.

10.30 Uhr

Sitze in meinem Hotelzimmer, vor meiner Nase der aufgeklappte Laptop, lade Fotos herunter, fange an, das Tagebuch zu schreiben. Picke in den Obstsalat, erwische eine Traube. In unserer WhatsApp-Gruppe poppt eine Nachricht auf: „Guys, for the next games please bring an extra pair of basketball shoes. The hotel isn’t that close and no one wants to see Greg run again …“

12.15 Uhr

Mittagessen. Hähnchen oder weißer Fisch. Reis oder Nudeln. Zucchini oder Aubergine.

12.17 Uhr

Unsere Jungs stehen am Buffet, Akeem schaut Momo über die Schulter, wie der sich Tomatensoße über die Nudeln kippt. Auf der anderen Seite laufen die Ludwigsburger zum Buffet. Wimbush, Weiler-Babb, Coach Patrick. Dahinter Wobo, ein alter Bekannter, die vergangenen zwei Jahre in Frankfurt aktiv. Er schaut nur kurz rüber zu Akeem, Momo & Co., schaut nur kurz rüber zu mir. Wir nicken uns zu, nicht mehr. Ich mit einem freundlichen Lächeln, Wobo ziemlich kühl. Gameday-kühl.

12.30 Uhr

Wir sitzen am Tisch. Vokabel-Wiederholung. Kananmuna, Lampimampi. Plötzlich bemerke ich ein Missverständnis mit Finnisch-Lehrer Daniel. Lampimampi heißt nicht Heizung. Sondern es ist ein Adjektiv, bedeutet: wärmer.

12.31 Uhr

Schaue etwas bedröppelt in die Runde, zu Daniel, zu Physio Flo, zu Teambetreuer Jannis, die beiden rechts am Nebentisch. Sie denken sich bestimmt: setzen, sechs! Vokabeltest versaut.

13.15 Uhr

Hole mir einen Café Crema. Kenne ja jetzt den Automaten. Beim Aufzug links um die Ecke. Auf einem Hocker sitzt dort Teyvon Myers. Ludwigsburger Guard, Neuzugang aus Gießen. Wir kennen uns nicht, kommen aber gleich ins Quatschen. Drei, vier Minuten lang. Er erzählt, wie er 2017 nach Europa kam. Aufgewachsen in Brooklyn, New York City. Weltmetropole. Erste Übersee-Station: Zypern. Dann ein Jahr Schweden, und seit 2019 Deutschland. Er erzählt mir, dass es aufgrund der Corona-Krise total ungewiss sei, wie es für ihn weitergeht. Vertrags-Gespräche liegen derzeit auf Eis. Ich drück‘ ihm die Daumen, ein sympathischer, aufgeschlossener Mensch. Plötzlich kommen seine Teamkollegen um die Ecke, darunter auch Wobo. Hochkonzentriert. Teyvon verabschiedet sich höflich zur Stretching-Session. Gut drei Stunden vor dem Tip-off.

14.10 Uhr

Laufe bei uns in der ersten Etage über den Flur. Braun-schwarz-weißer Teppichboden. Akeem kommt mir entgegen. Wir lächeln uns kurz zu, sagen Hallo. Mehr Kommunikation? Jetzt nicht. Hatte mir Akeem gestern schon erzählt, als wir ne halbe Stunde geplaudert haben. Wenn der Tip-off näher rückt, versucht er alles andere auszublenden, keine Plauderei mehr. Ich merke schnell: Jeder Spieler tickt da ganz anders, siehe Teyvon Myers.

14.55 Uhr

Erste Hälfte des Tagebuchs fertig geschrieben, mal wieder viel zu lang geworden. Foto-Kamera, Ladegerät, Laptop? Alles rein in den Rucksack.

15.05 Uhr

Treffpunkt in der Lobby. Aufbruch zum Audi Dome.


Tagebuch-Übersicht

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15.10 Uhr

Inzwischen ein völlig normales Gefühl, mit im Mannschaftsbus zu fahren. Sitze neben Physio Flo, links von uns Yorman, direkt vor uns der Headcoach. Irgendwie verrückt, dass es ein normales Gefühl geworden ist.

15.45 Uhr

Angekommen im Audi Dome. Arbeitsroutine: Die Mannschaft beim Einlaufen filmen, beim Warm-Up-Shooting, beim Team-Huddle direkt vor dem Tip-off. Alles direkt hochladen bei Instagram und Twitter, die richtigen Wordings finden, die Hashtags setzen, die Spieler taggen.

16.33 Uhr


Und bei alledem gar nicht merken, dass das Spiel schon drei Minuten läuft.

17.20 Uhr


Eine Minute vor der Halbzeitpause. Ravi Sharma von BBL kommt zu meinem Sitzplatz, der sich zwischen SKYLINERS-Bank und dem Korb befindet. Er sagt mir, dass Marco zum Halbzeit-Interview mit Magenta Sport kommen soll. Ich stehe schon mal auf, warte bis die letzten Sekunden von der Uhr laufen. Und positioniere mich so, dass ich Marco auf dem Weg in die Kabine abfange. Schildere ihm die Sachlage, alles easy, super entspannter Typ. Es gibt nur ein Marco Völler (okay, sorry, der war jetzt bisschen platt …).

17.22 Uhr

Bisschen verrückte Interview-Szenerie. Marco schaut auf einen kleinen Bildschirm, auf dem der Moderator aufflimmert. Dieser wohnt nicht bei uns im Hotel, ist nicht mehrfach auf Corona getestet. Muss daher einen ordentlichen Sicherheitsabstand zu uns wahren, steht irgendwo weit entfernt auf der Tribüne. Bloß uns nicht anstecken und das komplette Turnier crashen.

17.25 Uhr

Nach Marco wird Kamil Novak interviewt. Dieser gehört zu den wenigen Zuschauern, die auf der Tribüne Platz nehmen dürfen. Pro Team etwa eine Handvoll Personen. Alle mit Mundschutz. Zum Interview darf Kamil seine weiße Maske abnehmen. Er atmet tief durch. Und sagt schmunzelnd: „Kann ich bitte die komplette zweite Halbzeit Interviews geben? Ist viel, viel angenehmer ohne Maske …“

17.50 Uhr

Ende des dritten Viertels. Fast von der eigenen Grundlinie aus wirft ein Ludwigsburger verzweifelt auf den Korb, hinter dem ich sitze. Der Ball steigt in die Luft. Fliegt. Fliegt. Fliegt. Oben auf die Korbanlage drauf. Wohin springt die Kugel jetzt bloß ab? Völlig unberechenbar. Ich sehe aus dem Augenwinkel, wie BBL-Kollegin Lina Lindner, die direkt neben mir sitzt, auf ihrem Handy tippt. Und die drohende Gefahr überhaupt nicht erkennt. Ich rufe laut „Vorsicht“. Und strecke schon meine Arme aus, um im Fall der Fälle ihren Kopf zu schützen. Helfersyndrom und so. Aber gerade noch mal Glück gehabt: Der Ball prallt zwar komisch ab, fliegt jedoch knapp an uns vorbei in die Tribüne.

17.51 Uhr


Kollegin Lina schaut mich leicht verdutzt an. Was war denn? Ach, nix. Ich springe vom Stuhl auf, um den Ball zu holen. Ist ja sonst niemand da. Werfe ihm dem Schiri zu. Der grinst mich an und fragt: „Hoffe, du bist negativ?“ Ich nicke. Überlege kurz. Dann fällt mir ein: Wenn ich nicht mit Sicherheit Corona-negativ wäre, ich nicht im Quarantäne-Hotel leben würde, müsste der Ball jetzt desinfiziert werden. Dringend sogar. Damit bloß keine Viren übertragen werden.

17.55 Uhr

Ganz enges Ding. 56:53. Auszeit. Ich schleiche mich zur Frankfurter Bank, um ein paar Fotos zu schießen. Höre, wie Tez fordert: „We need to talk more in defense – we need to make more noise.“

17.57 Uhr


Gesagt, getan. Wie beim ALBA-Spiel sitzen neben mir die Youngsters Maxi und Jordan, dazu der noch angeschlagene Leon. Schon das ganze Spiel hinweg feuern sie lautstark an, klatschen, fiebern mit. Nun legen sie noch eine Schippe drauf, rufen bei jedem Ludwigsburger Ballbesitz „Defense, Defense, Defense“. Wenn vorne ein Wurf fällt, springen sie sofort auf. Genau wie Athletiktrainer Greg. Die BBL postet ein kleines Instagram-Video, wie Greg an der Bande auf- und abspringt, als wolle er die Olympia-Norm im Hochsprung knacken. Was für ein Energizer.

18.15 Uhr

Mal wieder Ravi Sharma von der BBL. Direkt nach der Schlusssirene soll ich Tez zum Interview lotsen.

18.20 Uhr

Die allerletzten Sekunden auf der Uhr. Zwei Punkte zurück. „Mit nem Dreier zum Sieg“, höre ich neben mir Maxi oder Leon rufe. Ich drehe mich rüber und frage: „Dreier von wem?“ Die beiden antworten blitzschnell und zeitgleich: „Matt McQuaid!“ Der 23-Jährige aus Texas. Scharfschütze. Zwar nicht der Schnellste, nicht der Athletischste. Aber gemacht für solche Situationen.

18.22 Uhr

Der Ball kommt zu Matt. Mit Ansage. Ein Pfiff – der erste Gedanke: drei Freiwürfe?! Nope. Der Referee entscheidet: übergetreten. Ein ganz knappes Ding. Fast wie vorhin bei Lina und dem abprallenden Ball.

18.25 Uhr

Mal wieder Ravi von der BBL. Magenta Sport will jetzt doch nicht Tez, sondern Matt. Über das letzte Play. Sonst wird Matt nie angefragt.

18.40 Uhr

Die Jungs schleichen aus der Halle. Yorman hat Eispakete um beide Knie gepackt, befestigt mit blauem Tapeband. Er humpelt die vier, fünf Stufen in den Bus hoch. Drinnen hat Assistant Coach Klaus den Laptop aufgeklappt, analysiert bereits die wichtigsten Szenen.

20.15 Uhr

Abendessen. Wir vergessen die finnische Vokabel. Gebrauchter Tag.

22.20 Uhr

Schaue mir in der Hotel-Lobby das letzte Viertel von Berlin gegen Bamberg an. Neben mir Teambetreuer Jannis und Center Aaron. Als das Spiel vorüber ist, Berlin gewonnen hat, verabschieden sich die beiden zum Dart-Werfen. Ich mache mich hoch ins Zimmer fürs Tagebuch.

23.30 Uhr

Aber vorher: Fotos runterladen und die letzten Social-Media-Posts des Tages absetzen. Dann erst Tagebuch.

1.38 Uhr


Nehme mir vor, dass das nächste Tagebuch kürzer wird. Mit graut’s schon vor dem Handy-Wecker.